Rembrandt Digitorial

Intro

Nennt mich Rembrandt! Durchbruch in Amsterdam Ottawa 14.5.–6.9.2021

Frankfurt am Main 6.10.2021–30.1.2022
Digitorial® zur Ausstellung

Rembrandt – die Kunst des Niederländers begeistert und berührt bis heute. Doch wie kam der Müllerssohn aus Leiden zu seinem internationalen Erfolg? Im frühen 17. Jahrhundert macht sich der junge Maler und Grafiker einen Namen. Die aufregende Weltmetropole Amsterdam ist Rembrandts Bühne: Hier wetteifern zahlreiche Talente auf einem Kunstmarkt, der in der Geschichte seinesgleichen sucht.

Neuer Name – Neue Wege

Neuer Name – Neue Wege

„Merkt Euch meinen Namen!“ Im Jahr 1631 wagt Rembrandt van Rijn seine ersten Schritte auf dem Amsterdamer Kunstmarkt.

In seiner Heimatstadt Leiden ist dem 25-jährigen Künstler bereits der Ruf eines Wunderkindes vorausgeeilt. Sein Erfindungsreichtum beeindruckt. Doch um sich gegen die enorme Konkurrenz in Amsterdam durchzusetzen, verfolgt er eine raffinierte Idee: Sein Vorname allein soll sein Markenzeichen werden.

  • Rembrandt, Selbstbildnis mit Mantel und breitkrempigem Hut, 1631 Radierung, teils Kaltnadel, 14,8 x 13 cm, Fitzwilliam Museum, Cambridge

    Auf dieses Selbstbildnis von 1631 setzt Rembrandt sein Monogramm „RHL“. Ganz traditionell verweist es auf seine Familie und Herkunft: Rembrandt Harmenszoon van Leiden (dt. Rembrandt Sohn des Hermann aus Leiden).

  • Rembrandt, Selbstbildnis mit Mantel und breitkrempigem Hut, 1631 Radierung, 14,7 x 13,1 cm, Städel Museum, Frankfurt am Main

    Mit der Ankunft in Amsterdam ändert sich seine Signatur. Nach dem kühnen Vorbild italienischer Künstlerstars, wie Tizian, Raffael oder Michelangelo, nutzt Rembrandt nun ausschließlich seinen ungewöhnlichen Vornamen als Markenzeichen. Kein anderer Künstler in Holland hatte das je gewagt.

Konkurrenz, wohin man schaut

Kaum zu glauben: Mitte des 17. Jahrhunderts kommt in den Niederlanden ein Maler auf nur 650 Einwohnerinnen und Einwohner! Die Nachfrage nach Kunstwerken ist riesig.

Pieter Codde, Kunstliebhaber im Atelier eines Malers, um 1630 Öl auf Holz, 38,3 x 49,3 cm, Staatsgalerie Stuttgart, Stuttgart, erworben mit Lotto-Mitteln, 1976, © bpk / Staatsgalerie Stuttgart

Auf der Suche nach neuen Talenten hat der Kunsthändler Hendrick van Uylenburgh Rembrandt nach Amsterdam gelotst und vermittelt ihm Arbeit als Porträtmaler. In der weltweit vernetzten Handelsmetropole gelten die Gesetze eines freien, kapitalistischen Marktes. Kunstgüter sind gefragt: Nicht nur wohlhabende Kaufleute, sondern beispielsweise auch Handwerker und Seeleute bilden eine breite Käuferschicht.

„Häufig haben selbst Schmiede oder Schuster das ein oder andere Gemälde in ihrer Werkstatt oder ihrem Laden. So groß ist die (…) Freude an Bildern bei den Gebürtigen des Landes.“

Peter Mundy, 1640 Englischer Reisender

Geld, Status und Konsum

Das Wirtschaftssystem der Republik der Vereinigten Niederlande des 17. Jahrhunderts gilt als Beispiel des europäischen Frühkapitalismus. Nicht der geerbte Besitz von Grund und Boden, sondern das private Eigentum von Geld und Produktionsmitteln bestimmten zu Rembrandts Zeiten den wirtschaftlichen und sozialen Status der Bürgerinnen und Bürger. Konsum- und Luxusgüter gehörten, wie noch heute, zum damaligen Leben: Für Zucker, Kaffee oder Porzellan, aber auch für Druckgrafiken und Gemälde gaben Privatleute viel Geld aus.

Job Adriaensz. Berckheyde, Die Börse von Amsterdam, um 1675–1680 Öl auf Leinwand, 62,2 x 52,8 cm, Städel Museum, Frankfurt am Main

„Auf diesem Kaufhause [der Börse] verhandelt man fast die gantze Welt. Alhier finden sich (...) Pohlen, Ungern, Wälsche, Franzosen, Spanier, Moskoviter, Persier, Türken, ja zuweilen auch Indier und andere fremde Völker.“

Filip von Zesen, 1664 Deutscher Dichter, Beschreibung der Stadt Amsterdam

Porträts als Sprungbrett

Rembrandt macht sich auf dem Kunstmarkt einen Namen: In der Porträtmalerei erkennt er seine Chance.

Aufstrebende Kaufleute und wohlhabende Bürgerinnen und Bürger – alle wollen sich von dem Neuankömmling Rembrandt verewigen lassen. In kürzester Zeit wird er zum gefragtesten Porträtmaler der Stadt. Seine Bildnisse weichen von allem zuvor Dagewesenen ab – und sichern dem jungen Grafiker und Maler einen bleibenden Kundenkreis.

  • Nicolaes Eliasz. Pickenoy, Bildnis eines stehenden Mannes, 1628 Öl auf Leinwand, 196 x 126 cm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Karlsruhe

    Nicolaes Pickenoy ist ein etablierter Porträtmaler. Seine bürgerlichen Kundinnen und Kunden zeigt er in herrschaftlichen Posen nach höfischem Vorbild: Der Ehrenvorhang, der Marmorboden und die teppichbedeckte Tischablage gehören standardmäßig dazu. Status ist alles!

  • Rembrandt, Bildnis eines stehenden Mannes (Andries de Graeff), 1639 Öl auf Leinwand, 199 x 123,5 cm, Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, Kassel, Foto: Ute Brunzel, / bpk Bildagentur / Gemäldegalerie Alte Meister, Museumslandschaft Hessen Kassel

    Rembrandts Bildnisse durchbrechen die Norm. Dieses Porträt zeigt Andries de Graeff, einen der damals reichsten Bürger Amsterdams. In lässiger Pose lehnt er an einem Sockel. Der lebendige und unmittelbare Ausdruck zählt in Rembrandts Porträtmalerei mehr als die Betonung von Reichtum und Status.

Berührend, tiefgründig und immer ein wenig rätselhaft: Rembrandts Bildnisse verblüffen bis heute. Sie zeigen wahrhaftige Menschen in all ihren Eigenheiten. Rembrandt selbst hat über seine Kunst gesagt, die „größte und natürlichste Beweglichkeit“ sei sein Ziel.

Allein mit Porträtmalerei will sich Rembrandt nicht begnügen. Er zieht alle Register: Die Vielfalt seiner Kunst ist atemberaubend.

Bildernachweis Rembrandt, Der trunkene Lot, um 1630–1633, schwarze und weiße Kreide, mit dem Pinsel übergangen, 25,3 x 18,9 cm, Städel Museum, Frankfurt am Main; Rembrandt, Stillleben mit zwei toten Pfauen und einem Mädchen, um 1639, Öl auf Leinwand, 145 x 135,5 cm, Rijksmuseum, Amsterdam

Kleines Land – Weite Welt

Kleines Land – Weite Welt

70.000 Gemälde pro Jahr! Die Kunstproduktion der Vereinigten Niederlande ist riesig. Was ist das für ein Ort, der nicht nur Masse, sondern auch Klasse hervorbringt?

Um die Jahrhundertmitte sind die Vereinigten Niederlande die reichste Region Europas. In der Metropole Amsterdam befindet sich der größte Stapelhafen des Kontinents. Von hier aus führen Seehandelsrouten rund um den Globus.

François van den Hoeye, Panoramaansicht von Amsterdam, um 1620–1625 Radierung und Kupferstich auf drei Blättern, 24,3 x 122,4 cm, Rijksmuseum, Amsterdam

„Ich kann voller Erstaunen die gewaltige Menge von Waren betrachten, die aus dem Ausland herbeigeschafft werden, die Vielfalt und Robustheit der Schiffe (…).“

Caspar Barlaeus, 1632 Niederländischer Historiker

Die niederländische Republik ist alles andere als groß: Nicht viel mehr als ein Küstenstreifen, eine kleine Einwohnerzahl und wenig Rohstoffe. Doch durch den weltweiten Überseehandel gelangt der junge Staat zu Wohlstand und Macht.

Kampf für die Unabhängigkeit

Die Republik der Sieben Vereinigten Provinzen (kurz: Vereinigte Niederlande) ging aus einer Rebellion hervor: Die nördlichen Provinzen der Niederlande lehnten sich gegen die übermächtige spanische Krone auf, die unter dem Geschlecht der Habsburger seit dem späten 15. Jahrhundert das Land beherrschte. Im so genannten Achtzigjährigen Krieg (1568–1648) kämpften die Nordniederländer für ihre Unabhängigkeit aber auch für religiöse Freiheit: Der calvinistische Glaube, benannt nach dem Schweizer Reformator Johannes Calvin, war in der Region weit verbreitet, wurde von den katholischen Habsburgern jedoch als Ketzerei verfolgt. Bereits 1581 erklärten sich die rebellischen Provinzen zur unabhängigen Republik. Ab 1609 war ein langjähriger Waffenstillstand die Voraussetzung des rasanten kulturellen und wirtschaftlichen Aufstiegs. Erst 1648 bringt der Westfälische Friede die internationale Anerkennung des jungen Staates.

Eine Stadt im Wandel

Ein kometenhafter Aufstieg! Zu Rembrandts Zeiten erlebt Amsterdam eine wahre Explosion der Bevölkerung, Kunst und Wissenschaft. Einflüsse aus aller Welt prägen die Stadt.

Gerbrand van den Eeckhout, Bildnis des Isaac Commelin, 1669 Öl auf Leinwand, 70,7 x 55,6 cm, Städel Museum, Frankfurt am Main, © Städel Museum, Frankfurt am Main, Foto: U. Edelmann

Bevölkerungsexplosion! Zwischen 1600 und 1662 wächst die Zahl der Amsterdamer Einwohnerinnen und Einwohner von 40.000 auf 210.000. Kriege, Armut sowie religiöse und politische Verfolgung treiben Zehntausende Europäerinnen und Europäer in die Vereinigten Niederlande. Gerade in Amsterdam mit einem starken Arbeitsmarkt und relativer Religionstoleranz erhoffen sie sich ein freieres Leben. Auch Menschen aus anderen Erdteilen erreichen die Stadt.

Filip von Zesen, Stadtplan von Amsterdam, 1664 Kupferstich, 24,1 x 46,2 cm, Illustration aus: Filip von Zesen, Beschreibung der Stadt Amsterdam, Amsterdam: Noschen, 1664, Städel Museum, Frankfurt am Main

In Amsterdam hat Rembrandt Nachbarinnen und Nachbarn mit Lebensgeschichten aus aller Welt. Er wohnt im traditionell jüdischen Viertel, auf der Breestraat (heute Jodenbreestraat bzw. Sint Anthonisbreestraat). Die Vielfalt der Nachbarschaft spiegelt sich in seinen Zeichnungen und Gemälden wider.

  • Rembrandt, Zwei junge Afrikaner, 1661 Öl auf Leinwand, 77,8 x 64,4 cm, Mauritshuis, Den Haag

    Eine afrikanische Community lebt an der Breestraat: Dazu zählen Soldaten, die für die niederländischen Handelskompanien arbeiten. Ein Name wie „Francisco van Angola“ lässt die Herkunft von Rembrandts Nachbarn erahnen.

  • Rembrandt, Skizze eines Afrikanischen Mannes, ca. 1650 Schwarze Kreide und Tusche, 9,6 x 8,4 cm, Amsterdam Museum, Amsterdam

    Auch ehemals versklavte Bedienstete leben hier. Sie sind als unfreie Menschen mit jüdischen Familien von der Iberischen Halbinsel in die Vereinigten Niederlande gekommen. Offiziell ist die Sklaverei in Amsterdam verboten.

Mit Schiffen um den Globus

Weit in die Ferne: Zu Rembrandts Lebzeiten wird die niederländische Republik zur Kolonialmacht.

Zeeman (Reinier Nooms), Amsterdamer Hafenansicht, ca. 1643–1664 Öl auf Leinwand, 61,9 x 77,2 cm, High Museum of Art, Atlanta, Georgia, Gift of the Walter and Frances Bunzl Foundation

Große Überseeschiffe liegen im Amsterdamer Hafen. Ihre orange-weiß-blauen Flaggen verraten: Sie segeln für die Niederländische Ost-Indien-Kompanie (niederl. kurz VOC). 1602 wird das mächtige Handelsunternehmen gegründet und gilt als die erste Aktiengesellschaft der Geschichte. Gewürze aus Indien, Tee und Seide aus China, Edelsteine aus Siam, dem heutigen Thailand: Das Handelsnetz der Kompanie zieht sich von Amsterdam bis in den Pazifik.

Goldene Zeiten?

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Von der europäischen Kolonialgeschichte ist auch Rembrandts Kunst nicht zu trennen: In seinen Werken lassen sich Dinge aus aller Welt entdecken.

Rembrandt, Die Frau des Tobias mit der Ziege, 1645 Öl auf Holz, 20,2 x 28 cm, Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie, Berlin, © Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie / Christoph Schmidt Rembrandt, Die Frau des Tobias mit der Ziege (Verso), 1645 Öl auf Holz, 20,2 x 28 cm, Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie, Berlin, © Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie / Christoph Schmidt

Diese Ölskizze malt Rembrandt auf tropischem Jequitiba-Holz. Es wurde in der Kolonie Neu-Holland im Nordosten Brasiliens geschlagen und zur Herstellung von Zuckerkisten verwendet. Künstler benutzten die ausgedienten Kisten als günstiges Material für ihre Bilder.

Zuckerhandel und Sklaverei

Die Vereinigten Niederlande beteiligten sich gezielt am transatlantischen Zuckerhandel. Damit verbunden war die grausame Versklavung westafrikanischer Kinder, Frauen und Männer. Die Schiffe der 1621 gegründeten Westindischen Kompanie (niederl. kurz WIC) transportierten nicht nur Waren, sondern auch Hunderttausende Menschen über den Atlantik.

Rembrandt, Bildnis des Apothekers Abraham Francen, um 1647–1667 Radierung, Kupferstich und Kaltnadel auf Japanpapier, 15,9 x 21 cm, The Rembrandt House Museum, Amsterdam, Copyright Museum Het Rembrandthuis © 2020

Diese Grafik ist auf feinem Japan-Papier gedruckt. Das edle Material gelangte über die Pazifikrouten nach Europa. Gebrauchs-, Kunst- und Naturgegenstände aus der Ferne stoßen in den Vereinigten Niederlanden auf Bewunderung – jeder, der etwas auf sich hält, besitzt eine kleine Sammlung.

Rembrandts Porträt seines Freundes, des Apothekers Abraham Francen, zeigt diesen inmitten seiner Kunstsammlung. Die Figur auf dem Tisch stammt aus China und ist ein Kultbild der Religionslehre des Daoismus. Sie hat gleich neben einem kleinen katholischen Hausaltar ihren Platz. Beide gehören zu Francens Kuriositätenkabinett.

Nachstellung von Rembrandts Kunstkammer Rembrandthuis, Amsterdam, Foto: ©KIRSTENVANSANTEN

Rembrandts Werkstatt – Rembrandts Marke

Rembrandts Werkstatt – Rembrandts Marke

Erfolgreich in der Weltmetropole Amsterdam! Rembrandt macht sich selbstständig. Sein Name steht für eine große Werkstatt, die er wie ein Unternehmen führt.

Rembrandts Kunst ist bei Kaufleuten und Seehändlern sehr gefragt. Im Jahr 1634 gelingt ihm der entscheidende Schritt in die berufliche Unabhängigkeit: Er tritt in die Amsterdamer Lukasgilde ein, den Berufsverband der Künstler.

Rembrandts Gildenmedaille (Recto), 1634 Messing, 2,8 cm (Durchmesser), Museum Het Rembrandthuis, Amsterdam Rembrandts Gildenmedaille (Verso), 1634 Messing, 2,8 cm (Durchmesser), Museum Het Rembrandthuis, Amsterdam

Ein seltenes historisches Zeugnis: Rembrandts Lukasgilden-Medaille hat sich bis heute erhalten. Seine Mitgliedschaft in der Gilde gibt ihm das Recht, eine eigene Werkstatt zu führen und als Meister Lehrlinge zu unterrichten. Mit seinen Schülern ist er hochproduktiv. Rembrandt wird zum einflussreichen und wohlhabenden Unternehmer!

„Und seine Behausung in Amsterdam [ist] mit fast unzahlbaren fürnehmen Kindern zur Instruction und Lehre erfüllet, deren jeder ihm jährlich an die 100 Gulden bezahlt.“

Joachim von Sandrart, 1675 Deutscher Künstler und Kunsthistoriker, über Rembrandts Werkstatt, Teutsche Akademie, II, Buch 3

Werkstattbetrieb

Rembrandts große Werkstatt war eine Goldgrube. Dort arbeiteten im Laufe der Jahre an die 40 Lehrlinge und Assistenten. 100 Gulden Lehrgeld soll jeder Schüler pro Jahr an den Meister bezahlt haben. Und Rembrandt machte noch weiteren Gewinn: 2.000 bis 2.500 Gulden habe der anteilige Verkauf der Werke seiner Schüler ihm jährlich eingebracht. Ein einfacher Arbeiter verdiente im 17. Jahrhundert etwa 300 Gulden im Jahr.

Zur Illustration einer Künstlerwerkstatt, Jan van der Straet, Color Olivi (Die Malerei mit Ölfarben), Blatt 14 der Folge „Nova Reperta“, um 1591 Kupferstich, 23 x 29,7 cm, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett, Dresden, © Kupferstich-Kabinett, SKD, Inv.-Nr. A 44995, Foto: Andreas Diesend

Ein unverwechselbares Gesicht

Die eigene Werkstatt – ein erfolgreiches Unternehmen: Strategisch baut Rembrandt seinen Einfluss auf dem Kunstmarkt aus. Sein eigenes Gesicht wird zu einem Wiedererkennungszeichen der Marke.

  • Rembrandt, Selbstbildnis, an einer Steinmauer lehnend, 1639 Radierung, 20,6 x 16,3 cm, National Gallery of Canada, Ottawa / Städel Museum, Frankfurt am Main

    Ein selbstbewusster Edelmann – Rembrandt präsentiert sich kühn und lässig in dieser Druckgrafik. Die lockigen Haare und die markante Nase sind unverwechselbar. Das Gesicht des Meisters gehört fest zum Bildprogramm seiner Werkstatt.

  • Ferdinand Bol, Selbstbildnis, 1642; um 1647 Radierung, 13,7 x 11,2 cm, Städel Museum, Frankfurt am Main; Öl auf Leinwand, 97,5 × 77,5 cm, Michele and Donald D’Amour Museum of Fine Arts, Springfield, The James Philip Gray Collection, Photography by David Stansbury

    Rembrandts Schüler Ferdinand Bol ahmt den Meister nach: In Haltung und Ausstrahlung sind seine Selbstporträts sehr dicht am Vorbild. Viele weitere Schüler variieren Rembrandts Formen der Selbstdarstellung in Druckgrafiken und Gemälden und verbreiten diese auf dem Markt.

Rembrandts Gesicht erscheint nicht nur in seinen Selbstbildnissen. Die eigenen Züge nutzt er auch für Rollenporträts und Charakterköpfe. Solche so genannten „tronies“ (niederl. für Kopf, Gesicht) erfreuten sich auf dem Kunstmarkt größter Beliebtheit.

  • Rembrandt, Tronie eines Mannes mit Federbarett, um 1635–1640 Öl auf Holz, 62,5 × 47 cm, Mauritshuis, Den Haag

    Ein aufwendiger Federhut schmückt den Kopf des Mannes, dem Rembrandt seine eigenen Gesichtszüge verleiht. Es ist kein Selbstbildnis, sondern eine Tronie: Bei dieser Bildart geht es um das Spiel mit Identitäten, Gesichtsausdrücken und gesellschaftlichen Rollen. Dahinter steht die schwierige Frage nach der Selbsterkenntnis: Wer ist wer? Wer bin ich wirklich?

  • Wallerant Vaillant, Selbstbildnis mit Helm, um 1655 Öl auf Leinwand, 63,7 x 57,7 cm, Niedersächsisches Landesmuseum, Hannover, © Landesmuseum Hannover – ARTOTHEK

    Der Maler Wallerant Vaillant, der aus Frankreich nach Amsterdam gekommen ist, gestaltet nach dem Vorbild Rembrandts eine Tronie: vielleicht ein Soldat mit glänzendem Helm und aufwendiger Kleidung, vor allem aber ein fantasievolles und bühnenreifes Rollenspiel!

Eine Handschrift, viele Hände

Das „Unternehmen Rembrandt“ stellt sich strategisch auf: Die Marke bringt eine wiedererkennbare Malweise und ausgefallene Bildthemen auf den Markt.

Mitreißende Szenen aus den Geschichten des Alten Testaments – darauf spezialisieren sich Rembrandt und seine Schüler. Ein Beispiel ist das Thema der „Verstoßung der Hagar“ (Gen 21, 914). Rembrandt zeichnet die Bildidee erstmals nach einem Gemälde seines Lehrers, Pieter Lastmann, und variiert sie in einer Radierung. In Rembrandts Werkstatt entstehen zahlreiche Fassungen. Ihre warmen erdigen Farben und die schimmernde Lichtgestaltung zeichnet sie aus.

Pieter Lastman, Die Vertreibung der Hagar, 1612 Öl auf Holz, 48,3 x 71,4cm, Hamburger Kunsthalle, Hamburg, © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Elke Walford
Rembrandt, Die Verstoßung der Hagar, um 1637 schwarze Kreide, 19,2 x 15 cm, Albertina, Wien, Foto: © Albertina, Wien
Rembrandt, Die Verstoßung der Hagar, 1637 Radierung und Kaltnadel, 12,6 × 9,5 cm, Städel Museum, Frankfurt am Main
Barent Fabritius, Die Verstoßung der Hagar, um 1650–1660 Öl auf Leinwand, 109,9 × 109,9 cm, Fine Arts Museums of San Francisco, San Francisco, Anonymous gift
Govaert Flinck, Die Verstoßung der Hagar, um 1642 Öl auf Leinwand, 110,7 × 138,8 cm, Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie, Berlin, bpk / Gemäldegalerie, SMB / Jörg P. Anders

Eine Mutter wird mit ihrem kleinen Sohn in die Wüste verbannt. Die dramatische Szene der „Verstoßung der Hagar“ ist neuartig und auf dem Amsterdamer Kunstmarkt schnell sehr beliebt.

Die Arbeiten Rembrandts und seiner Schüler wirken teilweise wie aus einem Guss. Wer der Maler dieses Gemäldes ist – darüber streiten sich heute die Kunstexpertinnen und -experten. Hat Rembrandt das Werk geschaffen oder einer seiner Schüler? Nicht jedes Bild, das heute als ein „Rembrandt“ in den Museen der Welt hängt, stammt von der Meisterhand. Hinter der Marke steht nicht ein einzelner Mann, sondern ein ganzes Unternehmen.

Rembrandt-Werkstatt, Carel Fabritius (zugeschrieben), Mädchen mit einem Besen, um 1646/48–1651 Öl auf Leinwand, 107,3 × 91,4 cm, National Gallery of Art, Washington, DC, Andrew W. Mellon Collection

Rembrandts Linien – Rembrandts Hand

Rembrandts Linien – Rembrandts Hand

Rembrandt ist ein brillanter Grafiker! In Zeichnungen und Druckgrafiken, vor allem mit der Technik der Radierung, zeigt er sein ganzes Können.

Rembrandt, Selbstbildnis, radierend am Fenster, 1648 Radierung, Kupferstich und Kaltnadel, 15,6 × 12,9 cm, Städel Museum, Frankfurt am Main

Ein Selbstbildnis aus Tausenden Linien: Konzentriert und bescheiden stellt sich Rembrandt bei der Tätigkeit des Radierens dar. Von seinem Ruhm als Künstler und Unternehmer keine Spur! Zu gerne möchte man wissen, welches Bild hier gerade auf der Radierplatte entsteht. Doch die gewählte Perspektive, eine Unteransicht, versperrt den Blick. Unsere Vorstellungskraft ist genauso gefragt wie die des Künstlers, wenn er seine Bilder aus der Fantasie entspringen lässt.

Radieren – „Zeichnen“ auf Kupfer

Genau schildert Rembrandt die Unterlagen, die er beim Radieren verwendet. Auf einem geschlossenen Album sind eine keilförmige Auflage und ein gefaltetes Tuch gestapelt. Erst auf diesem weichen Untergrund liegt die Radierplatte aus Kupfer. In seiner rechten Hand führt Rembrandt die Radiernadel. Bei einer Radierung (von lat. radere: kratzen, entfernen) zeichnet der Künstler in eine weiche, wächserne Abdeckschicht, die zuvor auf die Platte aufgetragen wird. Die so freigelegten Linien und Punkte werden in einem Ätzbad durch Säure in die Metallplatte gefressen. Bei einer Kaltnadelradierung hingegen wird die Zeichnung mit einer Nadel direkt in die Platte geritzt. Rembrandt verwendet in dem Selbstbildnis von 1648 beide Radiertechniken in Kombination.

Herzenssache Druckgrafik

Rembrandt liegt die Kunst der Linie am Herzen. Seine fantasievollen Radierungen zählen nicht zur Massenware der damaligen „Kunstfabrik Vereinigte Niederlande“.

Abzüge mancher Grafiken gibt es auf den Märkten von Amsterdam für den Preis einer Wurst. Andere erzielen bei Messen und Auktionen Höchstpreise. Viele Druckgrafiken gelten als Massenware, Rembrandts Bilder aber gibt es nur in kleinen Auflagen. Seine aufwendigen Radierungen sind schon damals bei Liebhabern heiß begehrt.

Rembrandt, Die Verkündung an die Hirten, 1634 Radierung, Kupferstich und Kaltnadel, 26,1 x 21,9 cm, Städel Museum, Frankfurt am Main, © Städel Museum, Frankfurt am Main, Foto: U. Edelmann

„Seine Radierungen haben viel mit seiner Malweise gemeinsam. Sie sind ausdrucksstark und voller Geist (…).“

Roger de Piles, 1715 Französischer Kunsttheoretiker, Abrégé de la vie des peintres

Legenden ranken sich um das Hundertguldenblatt, die wohl berühmteste Radierung Rembrandts: Ganze 100 Gulden soll sie auf dem Markt gekostet haben – das Hundertfache des durchschnittlichen Preises einer Druckgrafik. Die gefragtesten Radierungen Rembrandts kosten gut und gerne so viel wie ein großes Gemälde.

Rembrandt, Der predigende Christus („Hundertguldenblatt“), um 1648 Radierung, Kupferstich und Kaltnadel auf Japanpapier, 27,7 × 38,9 cm, National Gallery of Canada, Ottawa / Städel Museum, Frankfurt am Main

Rembrandt hat mit dem Hundertguldenblatt eines der anspruchsvollsten Bilder der europäischen Kunstgeschichte geschaffen. Bis heute gibt die Radierung Rätsel auf: Was genau soll das Gezeigte bedeuten?

Tauschrausch

Nicht nur gegen Geld, sondern auch als wertvolle Freundschaftsgabe oder Tauschobjekt wurden Druckgrafiken gehandelt. Rembrandt war selbst ein begeisterter Sammler. Einen Abzug des Hundertguldenblatts konnte er gegen einen der begehrtesten Kupferstiche seiner Zeit eintauschen – das Pestbild „Il Morbetto“ des längst verstorbenen italienischen Künstlerstars Raffael. Ein glanzvoller Zuwachs für Rembrandts eigene Kunstsammlung.

Marcantonio Raimondi (nach Raffael), Die Pest in Phrygien („Il Morbetto“), 1515/16 Kupferstich, 19,8 × 25,5 cm, Rijksmuseum, Amsterdam

Von der Platte aufs Papier: Eine Radierung lässt sich hundertfach mit Druckfarbe drucken. Dieses Porträt zeigt den Amsterdamer Kunsthändler und Verleger Clement de Jonghe.

Rembrandt, Kupferplatte für das radierte Bildnis des Grafikhändlers Clement de Jonghe, 1651 Kupfer, 21 × 16,5 cm, Amsterdam Museum, Amsterdam, Erworben mit Unterstützung der Vereniging Rembrandt, / Foto: Amsterdam Museum Rembrandt, Bildnis des Grafikhändlers Clement de Jonghe, 1651 Radierung, Kupferstich und Kaltnadel, erster Zustand, 20,7 × 16,1 cm, Städel Museum, Frankfurt am Main / National Gallery of Canada, Ottawa

Von den insgesamt 300 je geschaffenen Kupferplatten Rembrandts besaß De Jonghe ganze 74! Diese dienen dem Grafikhändler nicht nur dazu, die Bilder immer neu zu drucken: Seine Sammelleidenschaft gilt auch dem „Original des Meisters“– der bearbeiteten Platte direkt von Rembrandts Hand.

Atemberaubende Vielfalt – Unbegrenzte Möglichkeiten

Atemberaubende Vielfalt – Unbegrenzte Möglichkeiten

Ein Alleskönner! Rembrandt gilt zu seinen Zeiten als Universalkünstler.

Ob Porträts, Landschaften oder dramatische Erzählungen – ob Zeichnungen, Druckgrafiken oder Gemälde: Rembrandt bespielt die ganze künstlerische Bandbreite. Aber damit nicht genug! Auch was in der Wirklichkeit unsichtbar und flüchtig ist, kann er in seinen Bildern einfangen: Licht, Stimmung, Wind, Wetter und alle Nuancen des menschlichen Ausdrucks. Genau wegen dieser Fähigkeit gilt er bei seinen Zeitgenossen als Universalkünstler.

„Aber dieser Halunke von einem Rembrandt ist ein gewaltiger Idealist, der uns träumen macht und das Jenseits ahnen lässt.“

Charles Baudelaire, 1864 Französischer Dichter und Kunstkritiker
  • Rembrandt, Heldin des Alten Testaments, 1632–33 Öl auf Leinwand, 109,2 x 94,4 cm, National Gallery of Canada, Ottawa, Foto: NGC

    Schimmernd glänzen feine Stoffe, Gefäße und Schmuckstücke. Die helle Haut der sitzenden Frau leuchtet im Licht. Bis heute ist nicht klar, welche Figur oder Geschichte gemeint ist. Einen eindeutigen Hinweis im Bild gibt es nicht. Rembrandt geht es um Atmosphäre, Fantasie und das Gefühl der Kostbarkeit.

  • Rembrandt, Judith beim Bankett des Holofernes, 1634 Öl auf Leinwand, 143 × 154,7 cm, Museo Nacional del Prado, Madrid, © Museo Nacional del Prado, Madrid

    Auch diese Heldin lässt sich nicht genau identifizieren. Was für ein Getränk nimmt sie entgegen? Und was hält die ältere Frau im Dunkeln in ihren Händen? Rembrandts Wiedergabe von Haaren, Pelz und glänzendem Edelmetall verführt zum Schwelgen, Staunen und Rätselraten.

Momente größter Dramatik

Rembrandt ist ein begnadeter Erzähler. In seinen Gemälden spitzt er ganze Geschichten auf eine einzige Szene zu: Innovative und mitreißende Bilder entstehen.

Rembrandts Gemälde können aufwühlen und erschrecken. Doch bei aller Wucht wirken sie immer auch zart und geheimnisvoll. Gerade in der Darstellung des menschlichen Gesichtsausdrucks geht es dem Universalkünstler um Zwischentöne, Mehrdeutigkeit und Ironie.

Rembrandt, David spielt die Harfe vor Saul, um 1630/31 Öl auf Holz, 62 × 50,1 cm, Städel Museum, Frankfurt am Main, © Städel Museum, Frankfurt am Main, Foto: U. Edelmann

David spielt die Harfe vor Saul: Der König leidet an Depression, ist „von einem bösen Geist geplagt“, wie es in der Bibel heißt. Eine momenthafte, alttestamentliche Szene (1 Sam 16, 1423)  und doch vermittelt Rembrandt durch das kleine Gemälde die gesamte wechselhafte Geschichte der beiden Männer. Denn Sauls Gesicht spricht Bände. Es lässt nicht nur den verbitterten, traurigen König erkennen, der sich von der Musik erweichen lässt. Auch Neid, Misstrauen und Wut spiegeln sich in seinem Gesicht. Diese Gefühle, die Saul gegen seinen jungen Konkurrenten, den zukünftigen König David, im Laufe der Geschichte hegen wird, nimmt Rembrandt in der eindrücklichen Darstellung der Mimik vorweg.

„Es war das große Rembrandtbild die Blendung des Simson, das mich erschreckt, gepeinigt und hingehalten hat. (…) An diesem Bild, vor dem ich oft stand, habe ich erlernt, was Hass ist.“

Elias Canetti, 1982 Bulgarisch-Britischer Schriftsteller, Die Fackel im Ohr. Lebensgeschichte 1921-1931
Rembrandt, Die Blendung Simsons, 1636 Öl auf Leinwand, 219,3 × 305 cm, Städel Museum, Frankfurt am Main

Ein Schauerbild: Angesichts der grausamen Szene möchte man am liebsten die Augen verschließen. Rembrandt erzählt die Geschichte des biblischen Helden Simson – und das ausgerechnet anhand der brutalen Szene der Blendung! Rembrandt geht hier an die Grenzen des Darstellbaren.

Rembrandts Orien­ta­lis­mus

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Zitat der Antike

In der Figur des Simson, mit dem erhobenen rechten Arm und den im Kampf gespreizten Beinen, zitiert Rembrandt eines der berühmtesten Kunstwerke der europäischen Kunstgeschichte: die antike Laokoon-Gruppe. Zahlreiche Künstler seiner Zeit, auch der damals gefeierte Peter Paul Rubens, hatten bereits schmerzverzerrte Körper in Auseinandersetzung mit der antiken Statue gemalt. Die Laokoon-Gruppe wie auch die Künstler des 17. Jahrhunderts verbinden die Schmerzdarstellung mit heldenhafter Schönheit. Dagegen zeigt Rembrandt rohe Gewalt – abgründig und ungeschönt.

Peter Paul Rubens, Der gefesselte Prometheus, um 1611–18; Die Laokoon-Gruppe (40 v. – 20 n. Chr.), fotografiert vor 1906 Öl auf Leinwand, 242.6 × 209.6 cm, Philadelphia Museum of Art. Erworben durch W.P. Wilstach Fund, 1950, Foto: Philadelphia Museum of Art / Art Resource, NY; Lakoon und seine Söhne, Athanodoro, Agesandro und Polidoro di Rodi, 40–20, Mamor, 208 × 163 × 112 cm, Vatikanischen Museen, Vatikanstadt

Sichtbarkeit des Unsichtbaren

Nichts langweiliger als ein Landschaftsbild? Weit gefehlt: Rembrandts Naturdarstellungen lassen Wetter und Atmosphäre spürbar werden. Atemberaubende Phänomene wie Wind, Regen und die Bewegung der Wolken stellt er greifbar dar.

Rembrandt, Die drei Bäume, 1643 Radierung, Kupferstich und Kaltnadel, 21,3 × 28 cm, National Gallery of Canada, Ottawa, Foto: NGC / Städel Museum, Frankfurt am Main

Optische Effekte, die bis heute faszinieren: Rembrandt erzeugt sie mit der Radiernadel und dem Pinsel und ist dabei äußerst experimentierfreudig. In den Radierungen ordnet er Striche kontrastreich an; in den Gemälden malt er Flächen mit überraschend groben Pinselstrichen.

  • Rembrandt, Landschaft mit Steinbrücke, um 1638 Öl auf Holz, 29,5 × 42,5 cm, Rijksmuseum, Amsterdam, Erworben mit Unterstützung der Vereniging Rembrandt und A. Bredius, Amsterdam

    Eine niederländische Flusslandschaft: Beinahe unheimlich ist das Zwielicht auf den Bäumen. Um diese Stimmung zu erzeugen, hat Rembrandt kühn den Pinsel eingesetzt. Die Farbe ist teilweise so dünn und grob verteilt, dass der Untergrund leuchtend durchscheint.

  • Jan Asselijn, Tiber mit Ponte Molle bei Sonnenuntergang, um 1650 Öl auf Leinwand, 41,2 × 54 cm, National Gallery of Art, Washington, DC, Florian Carr Fund, New Century Fund, and Nell and Robert Weidenhammer Fund, Foto: Courtesy National Gallery of Art

    Ganz anders Rembrandts Amsterdamer Malerkollege Jan Asselijn: Seine römische Landschaft strahlt eine lichtdurchflutete Ruhe aus. Die feingestalteten Details haben nichts mit Rembrandts „Rauheit“ gemein. Geschlossene Linien, eine klare Struktur, die Sehnsucht nach der Schönheit der Antike: Asselijns Malerei entspricht um 1650 mehr und mehr dem neuen Kunstgeschmack in den Vereinigten Niederlanden.

„Demnach bliebe er beständig bey seinem angenommenen Brauch und scheuete sich nicht wider unsere Kunst-Regeln (…) wider die Perspectiva und den Nutzen der antichen Statuen (…) zu streiten.“

Joachim von Sandrart, 1675 Teutsche Academie, II, Buch 3

Eigenwillige Bilder – Neue Moden

Eigenwillige Bilder – Neue Moden

Rembrandt bleibt sich treu. Dem Wandel des Kunstgeschmacks beugt er sich nicht.

Der Amsterdamer Kunstmarkt ist dynamisch: Was gestern noch galt, gilt heute nicht mehr. Mitte des 17. Jahrhunderts veränderte sich die Nachfrage. Ein Trend aus Frankreich setzt sich in den Niederlanden durch: Kunst, die dem Vorbild und den Regeln der klassischen Antike folgt, wird immer beliebter. Helle Farben und klare Strukturen – die neue, klassizistische Kunst unterscheidet sich sehr von Rembrandts Malweise. Doch während viele Gemälde der neuen Richtung heute gleichförmig und beinahe beliebig erscheinen, haben Rembrandts Werke nichts von ihrer Tiefe und individuellen Ausdruckskraft eingebüßt.

  • Rembrandt, Das Bad der Diana mit Aktaion und Callisto, 1634 Öl auf Leinwand, 73,5 × 93,5 cm, Bildersammlung der Fürsten zu Salm, Wasserburg Anholt, Isselburg Copyright: Wasserburg Anholt

    Rembrandts Gemälde von 1634 zeigt die Jagdgöttin Diana und ihre jungfräulichen Gefährtinnen beim Bad im Fluss. Die nackten Gestalten sind am unteren Bildrand verstreut. Wo soll man zuerst hinschauen? Undurchdringlich wirkt die gesamte Komposition, während der Wald das Bild als unheimlich düstere Fläche dominiert.

  • Jacob van Loo, Diana und ihre Nymphen, 1654 Öl auf Leinwand, 99,5 × 135,5 cm, Statens Museum for Kunst, Kopenhagen

    Was für ein Kontrast! Der Amsterdamer Maler Jacob van Loo präsentiert die Jagdgöttin zentral im Bild, inmitten ihrer Anhängerinnen. Die schlanken Frauenkörper glänzen im gleißenden Abendlicht. Die Figurengruppe ist klar nach der Form einer Pyramide angeordnet: Das Gemälde von 1654 erfüllt alle Kriterien der klassizistischen Kunstrichtung.

Körperbilder

Der seitliche Blick, der feste, schlanke Körper sowie die typische Beinhaltung verraten es: Das Vorbild für Jacob van Loos Figur der Diana war eine antike Statue der Liebesgöttin Venus. Sie verkörperte ein überzeitliches, weibliches Schönheitsideal. Für Rembrandt spielt dies keine Rolle: Seinen nackten Badenden verleiht er eine „natürliche“ Körperlichkeit, die der Schwerkraft unterworfen ist.

Venus de’ Medici, 1. Jh. V. Chr. Marmor, 151 x 42 x 56 cm, Galleria degli Uffizi, Florenz

Nicht nur die Gestaltung von Rembrandts Bad der Diana ist originell. Auch der Inhalt überrascht. Denn Rembrandt verbindet gleich zwei Erzählungen der antiken Mythologie in einem Bild: Sowohl die Geschichte des Jägers Aktaion als auch die der Nymphe Callisto stecken in dem Gemälde. Das hatte es noch nie gegeben!

Rembrandt, Das Bad der Diana mit Aktaion und Callisto, 1634 Öl auf Leinwand, 73,5 × 93,5 cm, Bildersammlung der Fürsten zu Salm, Wasserburg Anholt, Isselburg Copyright: Wasserburg Anholt

Outro

Rembrandt – ein außergewöhnlicher Künstler, ein Unternehmer, eine Marke. Auf dem Kunstmarkt bedient er alle Sparten und fasziniert das Publikum in der Weltmetropole Amsterdam. Nach Jahren großen Ruhms folgen schwierige Zeiten: Der Wandel des Kunstgeschmacks leitet Rembrandts wirtschaftlichen Abstieg ein.

Doch seine Kunst, seine Grafiken und Gemälde sind unvergessen! Eigenwillig, innovativ und geheimnisvoll: Rembrandts Magie zieht uns bis heute in den Bann.

Geheimtipp

Geheimtipp

Ein Mann sitzt breitbeinig auf einem Fass. Es ist ein Kunstkritiker: Mit seiner Pfeife zeigt er überheblich auf einige Porträts, die ihm zur Ansicht gebracht wurden. Eine Schar Zuschauer hängt an den Lippen des Kritikers, doch Rembrandt hat ihm Eselsohren aufgesetzt. Ein genauer Blick auf diese bissige Satire lohnt sich!

In der rechten, unteren Ecke der Zeichnung erkennt man die Figur eines Künstlers, der gerade sein Geschäft verrichtet. Rembrandt lässt keinen Zweifel daran, was er von den Kritikern seiner Zeit gehalten hat – im wahrsten Sinne des Wortes.

Rembrandt, Satire auf die Kunstkritik, 1644 Feder in Braun, mit Korrekturen in Weiß, 15,5 × 20,1 cm, The Metropolitan Museum of Art, New York, Robert Lehman Collection, 1975, © The Metropolitan Museum of Art

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